@TourianTourist
Du hast Recht: Allgemein zeichnet sich Wissenschaft durch verschiedene Theorien, Meinungen und Ansätze aus. Wobei ich mit dem Begriff "Meinung" etwas vorsichtig wäre, je nachdem, ob darunter die Lehrmeinung oder die persönliche Meinung zu verstehen ist. Die persönliche Meinung kann zwar die wissenschaftliche Arbeit (negativ wie positiv) beeinflussen, das lässt sich nicht ausschließen. Aber man kann gute wissenschaftliche Arbeit leisten und daneben eine persönliche Meinung haben, die haarsträubend ist (überspitzt formuliert: Wissenschaftler können genauso Rassisten, Sexisten oder was weiß ich nicht alles sein, eine erfolgreiche akademische Laufbahn ist kein Garant dagegen).
Daher finde ich es auch schwierig, wenn durch die bloße Tätigkeit in der Wissenschaft plötzlich der persönlichen Meinung von Einzelpersonen Autorität zugesprochen wird. In dem Zusammenhang hat es in der Pandemie einige Fälle gegeben, darunter den hier: https://www.pathologie-dgp.de/die-dgp/aktuel…vid-19-impfung/
Wissenschaft kann, wie du geschrieben hast, nie perfekt sein (zum Glück, sonst wäre Forschung irgendwann nicht mehr nötig) und wenn man das pauschal formulieren will: Weder gibt es die eine Wahrheit noch eine einzige Lösung für ein Problem, geschweige denn ein (komplett risiko- und nebenwirkungsloses) Allheilmittel gegen das Coronavirus. Vermutlich ist diese Auffassung von meinem eigenen Hintergrund gefärbt; wenn ich etwas im Studium gelernt habe, dann, dass wir in vielen Bereichen wenig Ahnung haben (besonders, sobald es um das bloße Deskriptive hinausgeht), uns dem nur annähern können und nichts sicher und in Stein gemeißelt ist. Die Informationen (aus Quellen außerhalb des verschwörungstheoretischen Spektrums), die ich rund um das Thema Coronavirus konsumiert habe, haben einem solchen Status aus meiner Sicht nie widersprochen oder eine Absolutheit behauptet, die sie in der Form nicht haben. Soweit ich weiß, ist von Anfang an bekannt gewesen, dass die Impfung keine sterile Immunität erzeugt, heißt, sie bietet keinen vollständigen Schutz vor einer Infektion, sondern senkt (je nach Virusvariante) "nur" das Risiko dafür und für einen schweren Verlauf, was immerhin besser als nichts ist.
Selbstverständlich hat die Impfung gegen das Coronavirus - wie jede andere Impfung oder jedes Medikament, wovon manche teilweise (ohne Hinterfragen) täglich eingenommen werden - potenzielle Risiken und Nebenwirkungen. Leider habe ich den Eindruck, dass dieser Diskurs außerhalb der Fachwelt oft vereinnahmt wird, um eigene Ängste und Vorbehalte darauf zu projizieren, statt den Raum zu lassen, damit eine bessere, neutrale Aufklärung über tatsächlich mögliche Nebenwirkungen stattfinden kann. Die gesamte Debatte wird polarisiert und emotionalisiert geführt - zum Teil kann ich das nachvollziehen, die Situation macht keinen Spaß, kann frustrieren und verunsichern. Obwohl es angesichts der Erfahrungen mit anderen Impfungen äußerst unwahrscheinlich ist, gibt es keine unumstößliche Gewissheit, dass keine späteren Folgen auftreten - wenigstens dem aktuellen Stand nach gilt die Impfung als verhältnismäßig sicher und sicherer als eine Infektion, ob für eine Risikogruppe oder andere.
Zu erwarten, dass die Impfung das besagte einwandfreie Allheilmittel ist, und sie entweder als solches in den Himmel zu preisen oder eben ganz und gar zu zerpflücken, weil sie diese hohen (unrealistischen) Ansprüche nicht erfüllt, erscheint mir beides nicht sinnvoll und verzerrt. Ich kann mich nur anschließen, wenn du schreibst, das Coronavirus kann gefährlich sein und die Impfung hilft (und da du selbst angibst, niemand bestreitet das, können sich seriöse Experten demnach auf diesen etwaigen Konsens einigen; freilich ist meine Bemerkung darüber zugespitzt gewesen): Sie mag nicht das beste Mittel überhaupt sein, jedoch das beste, das wir gegen die Pandemie zur Hand haben, zumal es aktuell kein anderes gibt.
Wie meinst du das eigentlich genau, dass das komplette Abbilden des Spike-Proteins auf Dauer womöglich Schäden anrichten kann? Ich würde das gern abgrenzen können, weil ich Ähnliches als nicht belegte Theorien aufgeschnappt habe: https://correctiv.org/faktencheck/20…e-aus-schweden/ oder hier: https://correctiv.org/faktencheck/20…-toxisch-wirkt/. Auf die Annahme, die Impfung forciert weitere (gefährliche) Mutationen, trifft das ebenfalls zu: https://correctiv.org/faktencheck/20…vanden-bossche/. Mittlerweile ist der Artikel an einigen Stellen überholt (Hallo Omikron). Da ich lieber etwas in meinem Tempo durchlese, wäre ich neugierig, falls du Quellen hast, die das alles in Textform aufbereiten; durch neue Erkenntnisse kann sich der jeweilige Stand ja ändern.
Sicher sollte man bei einer Widerlegung genauso wenig alles unkritisch hinnehmen (beispielsweise hat CORRECTIV selbst keine blütenweiße Weste); angegebene Quellen und Verweise helfen wenigstens, als Laie Informationen etwas zurückverfolgen und einordnen zu können. Das Rezipieren und Diskutieren von Forschungsergebnissen ist in der Fachwelt über die naturwissenschaftlichen Disziplinen hinaus üblich. Diese Evaluation von Forschung und Ergebnissen und die Tendenzen, die sich daraus abzeichnen, erscheinen mir verlässlicher, als unterschiedliche Nuancen, Details oder Einzelstimmen anhand meiner eigenen, schließlich nicht vorhandenen Kenntnisse zu beurteilen.
Die Missstände, die du genannt hast, sei es die Pharmaindustrie, die sich bereichert, Milliardäre, die ihr Vermögen wortwörtlich lieber zum Vergnügen ins Weltall pusten, statt etwas zu bewegen, oder die Politik, die sich zuweilen Skandale ohne große Konsequenzen leisten kann - das ist nichts Neues und nicht durch die Pandemie erstmals verursacht worden. Die "Gewinner der Pandemie" (den Begriff verwende ich hier kritisch und mit Vorsicht, weil er genauso durch Verschwörungstheoretiker vereinnahmt wird) sind längst vorher "Gewinner" gewesen oder haben wenigstens eine privilegierte Ausgangsposition besessen.
In meinem vorletzten Beitrag habe ich bereits geschrieben, die Pandemie hat einige (gesellschaftliche) Missstände deutlicher hervortreten lassen. Zwar ist das unschön, aber das Coronavirus in der Debatte stärker zu gewichten, scheint mir die eigentlichen Ursachen zu Unrecht aus der Verantwortung zu nehmen. Soziale Ungerechtigkeit (ob national oder international), häusliche Gewalt, mangelnde Digitalisierung und so weiter - das alles sind Probleme und das generell, über die aktuellen Situation hinaus. Mag sein, dass das Coronavirus in einigen Belangen genutzt wird, um zu profitieren (überrascht nicht) - in dieser Position ist es wohl oder übel auswechselbar.
... obwohl es ganz nett wäre, dem Coronavirus die Schuld am Kapitalismus und all seinen Konsequenzen aufzuhalsen, damit wir den gleich zusammen mit der Pandemie mal ein bisschen hinter uns lassen können.
Mein Vertrauen ist hauptsächlich pragmatischer und nüchterner Natur wie in meinem vorigen Beitrag geschildert; und etwas Demut wegen der Privilegien, die ich trotz der Schwächen des Systems genießen kann, statt in einem ernsthaften Krisengebiet, sei es Syrien oder Afghanistan, um mein Leben fürchten zu müssen. Es läuft hierzulande einiges alles andere als ideal, dennoch kann ich mir nicht vorstellen, dass es nur noch bergab gehen wird, wovon sollte man sonst anschließend profitieren - und solange alles einigermaßen läuft, gibt es die Möglichkeit, das System weiterzuentwickeln, zu verbessern. Auf die Aussicht, dass mit der Zeit alles besser werden kann, will ich vertrauen.
Und wenn durch eine hohe Impfquote (besonders bei den vulnerablen Gruppen) die Intensivstationen weniger ausgelastet sind und jemand, der mir wichtig ist, oder ich selbst in einem Notfall dort behandelt werden kann (und nicht von der Bundeswehr per Flugzeug verlegt werden muss ...), finde ich das gut und wünsche mir eine hohe Impfquote (und gehe mit gutem Beispiel voran) - egal, was die Politik will oder ob ich ihr blind vertraue. Klar kann man der Politik die Schuld geben, dass Intensivstationen wie der gesamte Pflegesektor an Personalmangel leiden und hier von staatlicher Seite im Vorfeld Maßnahmen notwendig gewesen wären; das sind Umstände, auf die wir als Gesellschaft schwieriger und nur langfristig Einfluss ausüben können.
Beim härteren Durchgreifen im Hinblick auf Desinformation hoffe ich natürlich nicht auf solche historischen oder dystopischen Szenarien, auf die du verständlicherweise anspielst. Grundsätzlich bin ich der (optimistischen) Auffassung, dass sich durch Aufklärung, Information und überhaupt Wissen und Bildung viel bewegen lässt und das auf zahlreichen Ebenen. Man wird nie alle erreichen können, trotzdem sollte das nicht vom Versuch abhalten. Desinformation sollte vehement mit Information bekämpft werden; letztlich schadet das Einbrechen von Verschwörungstheorien in die Debatte genau dem wichtigen kritischen Diskurs, weil jede Information, die negative Aspekte aufgreift (zum Beispiel potenzielle Nebenwirkungen der Impfung, wie oben erwähnt) für deren Agenda instrumentalisiert wird. Gerade im Kontext um das Coronavirus ist prinzipiell viel vorhanden, um sich zu informieren, man muss den Schritt nur von sich aus gehen, sich kritisch damit auseinanderzusetzen. Ein Teil der Bevölkerung scheint das nicht zu probieren oder in irgendeiner Art und Weise verunsichert damit zu sein.
Informationen aus seriösen Quellen können proaktiver verbreitet und Strukturen, in denen Zirkelschlüsse kursieren, früher aufgebrochen werden; oder ich kann mir allgemein als Maßnahme vorstellen, man fängt künftig in der Schulzeit damit an, mehr Kompetenz im Umgang mit (modernen) Medien und deren Inhalten zu vermitteln. Eine moderne Gesellschaft sollte emanzipiert mit den Vor- und Nachteilen einer modernen (digitalen) Welt umzugehen lernen.
Neulich hat mir mein Bruder zu dem Thema die Dokumentation Das Dilemma mit den sozialen Medien (auf Netflix, im Original The Social Dilemma) empfohlen. Ich habe sie mir noch nicht angesehen, allerdings soll sie interessant sein und unter anderem die Verbreitung von Verschwörungstheorien über die sozialen Medien beleuchten. Dabei werden die Unternehmen in die Verantwortung genommen, weil die Algorithmen es offenbar begünstigen, sich in einer "alternativen Welt" zu verlieren, die nichts mehr mit einer kritischen Auseinandersetzung mit Informationen zu tun hat.
PS: Übrigens Danke für dieses Zitat (bei mir jetzt aus dem Kontext gerissen).
Der Weg in die Hölle ist bekanntlich mit guten Absichten gepflastert.
Ja. Den Satz kenne ich. Und ich weiß das gut. Allzu gut. ![]()




